In einer Zeit, in der die Debatte um Asyl zunehmend durch die Negativbeispiele geprägt wird, kann ein Blick auf die frisch gekürte Friedensnobelpreisträgerin für uns Deutsche durchaus als gesellschaftliche Selbstvergewisserung dienen.

Nadia Murad. Als Jesidin wurde sie 2014 beim einem Überfall Ihres Heimatorts durch den IS im Nordirak zum Opfer. Sie verlor nicht nur ihre Mutter und sechs Brüder, die alle getötet wurden. Sie selbst wurde vom sogenannten Islamischen Staat als Sexsklavin verschleppt.

Schließlich gelang ihr die Flucht. Offenbar dank der Hilfe einer muslimischen Familie. Und sie kam über ein Sonderkontingent nach Deutschland, wo wir ihr als Gesellschaft Schutz gewährten. Seit 2016 kämpft sie unermüdlich als erste UN-Sonderbotschafterin für die Würde der Überlebenden von Menschenhandel.

Noch immer sind viele ihrer Leidensgenossinnen in der Gewalt des IS. 1.500 Frauen und Mädchen sollen es noch immer sein. 1.500 größtenteils junge Frauen, die vielleicht gerade in diesem Moment wieder Unfassbares erleben. Im wahrsten Sinne des Wortes Unfassbar: Nicht fassbar. Nicht greifbar. Nicht vorstellbar. Weil das Ausmaß dieser Verbrechen jede Skala unseres behüteten, westlichen Lebens sprengt. Von bis zu 40 Vergewaltigungen berichten vergleichbare Geflohene – pro Tag. Wenn die Hölle auf Erden existiert, dann haben Frauen wie Nadia Murad sie wohl erlebt.

Ich für meinen Teil bin froh und stolz, dass wir zumindest dieses eine Schicksal verändert haben, auch wenn die Narben dieser Höllenzeit des unmenschlichen sexuellen Missbrauchs psychisch, leider aber wohl auch körperlich, wohl nie mehr ganz verheilen werden.

Wir könnten uns nun wieder für unser vermeintlich gut funktionierendes Asylrecht auf die Schulter klopfen. Das griffe aber viel zu kurz.

Schicksale wie das von Nadia Murad müssen viel mehr Ansporn sein, das Thema Asyl zu ordnen. Wir müssen jenen, die unser Asylrecht ausnutzen mit aller Härte entgegentreten, wenn wir verhindern wollen, dass Menschen wie Nadia Murad, die unsere Hilfe wirklich brauchen und verdienen, in der gleichen Schublade landen. Nur so – nämlich durch kritische Differenzierung – wird die Akzeptanz bei der hiesigen Bevölkerung für unser Asylrecht auf Dauer aufrecht zu erhalten sein. Wie brauchen Blüte und Dornen.

Man muss sich Nichts vormachen. Nicht jeder Flüchtling ist ein Nobelpreisträger von morgen. Aber genauso wenig ist jeder Flüchtling ein Straftäter von morgen. Diese zwei Wahrheiten sind zwei Seiten der selben Medaille. Wenn man genau das einfach einmal nüchtern akzeptiert und nicht immer eine Hälfte vernachlässigt, um das jeweils eigene Weltbild zu stützen, dann würde die politische Debatte wohl um Einiges ehrlicher, vor allem aber zielführender. Menschen wie Nadia Murad könnten wir dann auch in Zukunft helfen.

Quelle des Fotos:
© http://www.nadiasinitiative.org // © Nadia Murad

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